Da alle von der schönen Bekaa-Ebene im Osten Libanons und insbesondere von den römischen Ruinen in Baalbek schwärmen, habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und mich letztes Wochenende beim Ausflug von Kollegen angehängt.
Um es gleich vorweg zu sagen: Da die Sicherheitslage gerade in dieser Gegend nahe der syrischen Grenze fragil ist, ist dieses Ausflugsziel wirklich mit Vorsicht zu genießen. Selbst das berühmte Baalbek Festival hat ja dieses Jahr aufgrund der unberechenbaren Lage nicht in Baalbek stattgefunden, sondern in Beirut.
Uns war klar, dass wir beim kleinsten Zwischenfall, der uns zur Kenntnis gelangt, umkehren bzw. garnicht erst losgefahren wären. Es lohnt sich immer, vorab die Sicherheitshinweise der Botschaft und lokale Medien zu studieren, außerdem sollte man unterwegs informiert bleiben, ich nutze hierfür den SMS-Dienst von Libancall (SMS mit „E“ an 1085) und die Handy-App vom Daily Star.
Außerdem, und das weiß man ja spätestens seit „127 hours„: Always leave a note.
Da sich die Lage aber seit dem diplomatischen Säbelrasseln zwischen den USA und Syrien wieder etwas beruhigt zu haben schien, haben wir uns einfach mal getraut und sind mit unserem Guide Bassam losgefahren. Auch er war sich der Einschränkungen bewusst und stellte selbst sicher, immer auf dem laufenden zu bleiben.
Erster Stopp war noch garnicht in der Bekaa, nämlich in Anjar, wo es die Reste einer umayyadischen Siedlung zu sehen gibt, die zwar nicht riesig ist, aber dafür ganz gut archäologisch erschlossen. Seit meiner Syrien/Jordanien-Reise hab ich ja ein Faible für ausgebuddelte Ruinen, das fing damals in Jerash an und ging in Petra weiter. Von den genauen Geschichten, welcher Sultan da mit welchem Kalifen Stress hatte, wer dann wessen Sohn mit wessen Tochter verheiratet hat und so weiter und so fort, hab ich eigentlich nichts behalten, obwohl sich Bassam alle Mühe gab, uns die Inhalte näher zu bringen. Ich mag es lieber, durch die Ruinen zu schlendern und mir die Stadtstruktur zu erschließen.
Danach gabs eine kleine Stärkung. Da der Ort Anjar hauptsächlich armenisch geprägt ist, gab es neben den üblichen Thymian-Schnitten auch noch die typisch armenischen Lahme bil ajjine, eine Art flache Hackfleischpizza (wer sich hierbei – auch sprachlich – an den bei Berliner Imbissgängern bekannten Lahmacun erinnert fühlt, liegt garnicht so verkehrt). Dann noch schnell bei der armenischen Kirche vorbeigeschaut und weiter ging’s.
Frisch gestärkt haben wir abgewogen ob wir zuerst nach Baalbek fahren sollen oder erst nach Zahle. Wie der Zufall so spielt ging es weiter nach Zahle, wo die Besichtigung des Château Ksara auf dem Programm stand, wo die vielleicht größte, jedenfalls aber eine der bekanntesten libanesischen Kellereien beheimatet ist. Nach einem kurzen Einführungsfilmchen konnte man im durchaus beeindruckenden Restaurant eine kleine Kollektion von vier Ksara-Weine degustieren (weiß, rosé, rot und Dessertwein). Und leider muss ich sagen, dass mir nur der letzte geschmeckt hat. Aber bei einem Dessertwein kann man ja auch nicht soo viel verkehrt machen. Libanesische Weine sind nicht per se schlecht, mir schmecken aber zB die von der kleineren IXIR-Kellerei deutlich besser (Masse ist eben nicht immer gleich Klasse. Wir konnten dann noch einen kleinen Rundgang durch den Keller machen, in dem der Wein fass- und flaschenweise gelagert wird.
Beim Verlassen des Château Ksara trudelte dann auch schon eine Nachricht über Libancall ein, die besagte: 3 people killed and 5 others injured in a clash between members of Hezbollah and the Al-Shiyah Family in Baalbek.
Also kein optimaler Moment, um nach Baalbek zu fahren. Allerdings dachten wir uns, dass in letzter Zeit ja die libanesische Armee hohe Präsenz in der Region zeigte, und bei derartigen Zwischenfällen auch umgehend eingriff und die Ordnung wieder herstellte. So dass man also annehmen konnte, es gibt immer nur eine Schießerei am Tag, weil danach alles voll ist mit Sicherheitskräften. Darum hieß es für uns einfach mal Zwangspause und abwarten. Während wir in Zahle in aller Ruhe Kaffee, Tee und frisch gepressten Saft tranken, machte unser Guide ein paar Anrufe, die ihn etwas zwiespältig zurückließen, aber grundsätzlich positiv gestimmt. Also wieder ab in den Bus und auf nach Baalbek. Im Auto kam dann aber noch der letzte Anruf, auf den er gewartet hatte, und danach hieß es kurz und knapp: Gibt kein Baalbek heute. Da wir alle keine besonderen Draufgänger sind, haben wir auch nicht rumdiskutiert. Es war ja von Anfang an klar, unter welchen Voraussetzungen wir die Tour machen. Etwas später kamen dann auch tatsächlich noch schärfere Meldungen über Libancall: Flags of Al-Nusra are being hoisted in the Sunni Neighborhoods in Baalbek, amid ongoing clashes, the situation is getting worse..
Eine abschließende Meldung findet sich zB (noch) hier.
Dankenswerterweise mussten wir die Tour aber nicht abbrechen, denn Bassam hatte noch ein paar andere Sehenswürdigkeiten in der Bekaa fernab der Gefahren parat. Dazu fuhren wir erst eine Weile durch die fruchtbaren Felder der Bekaa. Die Bekaa ist eine sehr intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftete Gegend, immer wieder prägen aber auch improvisierte syrische Flüchtlingscamps das Bild. Diese Zeltstädte werden mit zunehmenden Flüchtlingsströmen immer mehr, derzeit kommen ja ca. 5000 Flüchtlinge am Tag aus Syrien nach Libanon. In den Zeltstädten leben ganze Familien, die in der Heimat alles aufgegeben und zurückgelassen haben und nicht wissen, was sie bei Ihrer Rückkehr wieder vorfinden werden.
Als nächstes brachte und unser Guide tief hinein in die Weinberge, wo wir nach etwas Kraxelei einen römischen Tempel besichtigen konnten.
Die Ruinen sollen wohl durch den Einschlag einer israelischen Bombe nochmal stark gelitten haben – in welchem Jahr, weiß ich nicht mehr, die waren ja so oft aktiv hier. Eine Art Einschlagkrater konnte man zumindest noch sehen.
Zu guter Letzt konnten wir ganz in der Nähe noch zwei Hadrianstempel besichtigen, die ganz dicht nebeneinander lagen. Diese sind zwar nicht so beeindruckend wie in Rom oder Ephesos, konnten sich aber durchaus sehen lassen. Insbesondere der zweite, größere und besser erhaltene strahlte eine sehr erhabene und beruhigende Atmosphäre aus, die mich ein bisschen an die Klosterruine in Berlin-Mitte erinnerte.
Vielleicht ist es ja ganz gut, die kleineren archäologischen Stätten der Bekaa-Ebene zuerst anzusehen, bevor man das Nonplusultra Baalbek besichtigt und die kleineren Stätten nicht mehr zu schätzen weiß. So red ich mir das zumindest schön, Könnt ihr machen was ihr wollt. Baalbek ist damit ja noch nicht aufgegeben.
Zum Abschluß ging’s noch nach Rayak, ein ehemaliger Eisenbahnknotenpunkt, mittlerweile allerdings nur noch ein Geisterbahnhof mit einem ganz gewissen Charme.
Naja, und eigentlich waren wir ja zum Essen hergekommen, es gab die üblichen Mezze und ein ganz vorzügliches Knoblauchhühnchen. Während wir auf der Terrasse sassen, konnten man aber auch hinter den Bergen entfernt (in Syrien) immer wieder Detonationen hören. Ob das nun Artillerie oder Mörser oder sonstwas waren, kann ich nicht sagen, bin ja auch kein Experte im Erkennen von Waffensystemen.
Wohl gesättigt und voll mit neuen Eindrücken machten wir uns auf die Heimreise über die Pässe nach Beirut, wo wir nach Einbruch der Dunkelheit wieder ankamen.
Auf jeden Fall hat der Ausflug Lust auf mehr gemacht, insbesondere auf das Highlight Baalbek. Kommt Zeit, kommt Rat, kommt neuer Ausflug.
Und auf den ganzen Stress am Samstag musste dann am Sonntag erstmal ein ausgiebiger Strandtag in Batroun eingelegt werden. Abbaden am letzten Septemberwochenende – Life is a beach!
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